„Big Little Lies” ist eine hochwertig produzierte HBO-Whodunit-Krimidrama-Serie mit einem extrem namhaften Cast. Reese Witherspoon (Little Fires Everywhere), Nicole Kidman (großartig), Alexander Skarsgård (großartig), Shailene Woodley, Laura Dern (Twin Peaks), Zoë Kravitz, Adam Scott (Severance) und viele mehr zusammen in einer Serie? In Staffel 2 stößt auch noch die Größte von allen hinzu – Meryl Streep. Doch kann das zunächst als Miniserie geplante Werk, das auf einem Roman von Liane Moriarty basiert, auch auf der inhaltlichen Ebene überzeugen? Für Staffel 1 gibt es ein klares: „Ja!”, denn die ersten 7 Episoden sind großartig und somit ist die Staffel ganz oben einzusortieren. Staffel 2 hätte es eigentlich nicht mehr gebraucht, sie ist aber dennoch sehenswert.
Die Serie funktioniert nach dem klassischen „Whodunit”-Prinzip. Zu Beginn der ersten Episode wird ein mutmaßlicher Mord bei einer Spendenaktion einer örtlichen Grundschule gezeigt. Doch zunächst erfährt die Zuschauerschaft weder die Identität des Opfers, noch die des Täters. Wie es dazu kommen konnte und wer daran beteiligt gewesen sein könnte, erfährt man erst im weiteren Verlauf, in dem nach und nach die Geheimnisse in zahlreichen Rückblenden gelüftet werden. Die Auflösung erfolgt erst in der letzten Episode der ersten Staffel, in der alle Handlungsstränge verbunden werden und in einem furiosen Finale gipfeln. Durch die verschiedenen Charaktere, einen Mordfall und das im Zentrum stehende Familiendrama erinnerte mich die Serie anfangs auch an die erste Staffel von „The Affair”, „Big Little Lies” ist allerdings besser und komprimierter erzählt.
Im Zentrum der Handlung im kalifornischen Meer-Setting stehen die überwiegend wohlhabenden Eltern von Erstklässlern, ihre Familieninternas und auch die Verstrickungen der Familien untereinander. Doch hinter der positiven Fassade, die die meisten Familien aufgebaut haben, verbergen sich natürlich zahlreiche Konflikte, Schwierigkeiten und dunkle Geheimnisse. Dabei werden die erzählten Themen überraschend schnell fies, schmerzhaft und düster. Beginnend bei eher harmloseren, banalen Familienstreitigkeiten erstrecken sich die Probleme über Mobbing, alleinerziehende Mütter, unbekannte Väter und Affären schließlich bis hin zu häuslicher Gewalt, Vergewaltigungen und Kindesmisshandlungen. Und natürlich zu Mord. Für einige mag sich die Geschichte vielleicht zu sehr nach Seifenoper anfühlen, für mich allerdings nicht. Das liegt vor allem daran, dass das breite Themenpotpourri überwiegend gut dargestellt wird und dabei recht authentisch wirkt. Aufgrund der Schwere der Themen, der überaus gelungenen, kreativen Inszenierung, die aus vielen Blickwinkeln erzählt, und der starken Darsteller gleitet das Drama darüber hinaus nie ab, sondern bleibt fokussiert.
Die Serie ist überragend gut produziert, man sieht ihr das Budget sowohl bei Darstellern als auch bei der Inszenierung und Machart an. Staffel 1 ist die klar stärkere Staffel, da sie sich auf das Ausgangsmaterial stützen kann und den sorgsam konstruierten Kriminalfall spannend erzählt, dabei immer wieder krasse Szenen einstreut und das Familiendrama perfektioniert. Ein Faustpfand ist, dass durch den „Whodunit”-Beginn ein klarer roter Faden entsteht, an dem sich die Handlung nur noch entlang hangeln muss. Dadurch entsteht eine gewisse Kompaktheit, man wird stets bei der Stange gehalten, weil man wissen möchte, wie es ausgeht und wird mit einem starken Ende belohnt.
Staffel 2 spielt im folgenden Herbst nach dem Mord. Statt einer neuen Haupthandlung zu folgen, bezieht sich Staffel 2 ständig auf die Ereignisse im Finale von Staffel 1 und möchte vernünftig darstellen, wie alle verbleibenden Hauptcharaktere mit der Situation umgehen. Eventuell ist auch die Polizei der Wahrheit auf der Spur und der ein oder andere Charakter gerät ins Visier der Ermittlungen. Überraschenderweise kehrte fast der gesamte Cast zurück und es gab eine bedeutende Addition in Meryl Streep, die die Mutter des Opfers aus Staffel 1 spielt. Der Handlungsstrang rund um ihre Figur und einen Sorgerechtsstreit ist der definierende, wichtigste und beste Handlungsstrang einer Staffel, die deutlich fragmentierter wirkt und sich in Nebenhandlungen verstrickt. Dabei fehlt leider etwas der rote Faden und Teile wirken redundant. Dadurch, dass mich nicht alle Nebenhandlungsstränge überzeugen konnten, wirkte die Mitte der zweiten, erneut 7-teiligen, Staffel etwas langatmig, die 2. Staffel hat leichte Pacingprobleme. Glücklicherweise können die letzten beiden Episoden der Staffel allerdings wieder an das hohe Niveau von Staffel 1 erinnern, so dass dennoch eine gute, sehenswerte Folgestaffel gelingt.
Nachdem die Serie zunächst eine Miniserie bleiben sollte und dann eine zweite Staffel bekam, weil das Ensemble darauf Lust hatte, soll 2026 auch noch eine dritte Staffel folgen. Ich hoffe, dass diese wieder ein hohes Niveau erreichen kann, nachdem Staffel 2 qualitativ etwas nachließ. Insgesamt möchte ich „Big Little Lies” aber vollumfänglich empfehlen. Es ist eine Freude diesem hochkarätigen Ensemble zuzusehen, wie sie großartig in Szene gesetzt werden und auch die Hauptgeschichte überzeugen kann. Die 1. Staffel kratzt deshalb sogar am Serienolymp, mit Staffel 2 zusammen gelingt dennoch eine sehr hohe Bewertung.



