Die 7-teilige HBO-Drama-Krimiserie „Mare of Easttown” brilliert mit einem überzeugenden Kleinstadtsetting und einem wendungsreichen Kriminalfall, im Mittelpunkt steht allerdings das Familiendrama rund um Kate Winslets Figur. Die Miniserie bekam einige Emmys. Zurecht?
Ich denke schon, denn „Mare of Easttown” ist eine hervorragende und hochwertig produzierte Serie, die ich als Mixtur von „Sharp Objects” und „Broadchurch” bezeichnen würde. Das allein ist bereits eine große Adelung, da ich großer Fan der beiden anderen Serien bin. Mit „Sharp Objects” teilt sich „Mare of Easttown” die verworrene Familiengeschichte, das Setup des Kriminalfalls und auch das Kleinstadtflair – auch wenn es hier etwas anders abgebildet wird. Mit „Broadchurch” das Kleinstadtsetting, das ungleiche Ermittlerduo und die Konzeption mit zahlreichen falschen Fährten und Wendungen. Doch nun genug der Vergleiche und hinein in die Handlung.
Mare (Kate Winslet) ist eine Kriminalpolizistin in einer US-amerikanischen Kleinstadt. Schon länger ermittelt sie erfolglos in einem Fall einer verschwundenen Teenagerin, doch nun erschüttert ein Mord an einer weiteren Jugendlichen die Stadt. Der Unmut der Bevölkerung wird größer, was besonders blöd ist, da in diesem Ort jeder jeden kennt. Mare (Kate Winslet) ist die allen bekannte Ermittlerin, die ständig auf die Versäumnisse der Polizei angesprochen wird. Darüber hinaus ist „Mare of Easttown” aber auch ein großes Familiendrama. Denn Mare ist eine depressiv wirkende, leicht reizbare und häufig aggressive Frau, für die der Zweck die Mittel heiligt. Sie trennte sich nach dem traumatischen Selbstmord ihres Sohnes von ihrem Mann, sie befindet sich in einem Sorgerechtsstreit um ihren Enkel und lebt in einem Haus mit ihrer Tochter (Angourie Rice) und ihrer Mutter (Jean Smart), zu denen sie auch eine eher schwierige Beziehungen pflegt. Darüber hinaus wirkt sie durch ihre knurrige Art sehr unnahbar und eckt mit vielen Bekannten an. Nur Mares Freundin Lori (Julianne Nicholson) scheint sie zu verstehen, doch ihr Leben steht nach der Affäre ihres Mannes auch vollkommen auf dem Kopf und vor allem auf Loris Familie wird sich die Kriminalhandlung im Verlauf der Geschichte fokussieren – mit Folgen für die Freundschaft der beiden Frauen. Nachdem die örtliche Polizei bei ihren Ermittlungen keinen Schritt weiterkommt, wird Mare gegen ihren Willen mit Detective Colin Zabel (Evan Peters) aus der nächstgrößeren Behorde ein Kollege an die Hand gegeben.
In Sachen Produktion, Regie, Kamera und Co. wandelt „Mare of Easttown” auf einem überwiegend hohen Niveau. Das Pacing der Serie ist gut, nach noch ruhigem Beginn und etwas langsameren Aufgalopp, eskaliert die Handlung in Folge 5, wenn sich wieder mehr auf den Kriminalfall fokussiert wird. Auch die letzte Episode weiß mit all ihren Implikationen und Twists zu glänzen. Allgemein nimmt der Drama Teil mit vielen Familienverflechtungen und Konflikten einen großen Teil der Serie ein, ab und an gerät der Mordfall sogar etwas in den Hintergrund. Diese Gewichtung gibt dem überzeugenden Schauspieler-Ensemble (schön mal wieder Guy Pearce zu sehen) viel Raum, der zu einigen starken Szenen führt.
Die Kriminalgeschichte ist dabei immer eng verwoben mit den seltsamen Machenschaften der geheimnisvollen Menschen vor Ort. Dabei werden immer wieder neue Fährten gelegt, neue Erkenntnisse angedeutet und Storylines miteinander verwoben. Manchmal weiß der Zuschauer auch schon mehr als die Ermittler, durch den Kunstgriff von kleinen Cliffhangern am Ende der Folgen, die die Handlung spannend halten und weiter vorantreiben. In diesen großen Andeutungen liegt mein einziger größerer Kritikpunkt, da einiges so überdeutlich „angedeutet” wird, dass die Geschichte zu vorhersehbar und manchmal zu einfach wirkt. Zudem finde ich einige Charakterhandlungen nicht so 100% logisch. Diese kleineren Dämpfer fallen letztlich aber kaum ins Gewicht, sie sorgen nur dafür, dass ich „Mare of Easttown” leicht schwächer als die beiden von mir anfangs genannten Vergleichswerke finde.
Letztlich ist die HBO-Miniserie absolut sehenswert, an einigen Stellen überraschend konsequent und am Ende überzeugend. Eine Serie, die Fans von Familiendramen und Kriminalgeschichten gleichermaßen abholen sollte.



