Sharp Objects – Hervorragendes, düsteres Familiendrama im Krimigewand. Review Miniserie

„Sharp Objects” ist eine bitterböse HBO-Psychodrama-Krimi-Serie mit Amy Adams in der Hauptrolle. Die 8-teilige Miniserie basiert auf dem ersten Roman der Schriftstellerin Gillian Flynn (Gone Girl) und verbindet gekonnt Familiendrama mit Mystery, Thriller- und Krimielementen, während eine innerlich zerrissene, emotional belastete Frau im Mittelpunkt steht. Beim großartigen und aufwühlenden Ende unbedingt den Abspann anschauen!

Bei „Sharp Objects” ist die Differenz meines Ratings zur IMDb-Bewertung so groß wie selten – dass ich eine Serie deutlich besser bewerte, ist sehr ungewöhnlich. Diese großen Unterschiede erkläre ich mir vor allem anhand der sehr finsteren Themen und einer Vielzahl von schwer zu ertragenden Szenen. Mutmaßlich zieht die Serie zu sehr runter, ist zu düster, zu hoffnungslos, zu selbstverletzend und verdient dafür einige Triggerwarnungen, somit ist sie sicherlich nicht allgemeinverträglich. Zudem gibt es in der Mitte die ein oder andere Länge. Doch in diesem Morast der schwer zu verdauenden Themen verbirgt sich eine harte, aber hervorragende Charakterstudie, die von drei großartigen Hauptdarstellerinnen getragen wird und zahlreiche unfassbare Momente bietet. Die Produktion ist hervorragend, die Regie von Jean-Marc Vallée (Big Little Lies) kreativ und stimmig, das eingefangene Kleinstadtsetting wirkt überaus glaubwürdig, die Darstellung von Traumata und Abhängigkeit ist schmerzhaft, das Ensemble spielt groß auf, die negative und bedrohliche Atmosphäre wirkt erdrückend. Ich wurde von dieser schrecklichen Vergangenheit und den depressiven Charakteren tief in diese Welt hineingezogen. Doch worum geht es eigentlich?

Camille Preaker (Amy Adams, fantastisch), eine alkoholkranke, gebeutelte Frau, die gerade erst aus einer psychiatrischen Klinik entlassen wurde, kehrt in ihrem Beruf als Journalistin in ihr Heimatdorf zurück, um über den Mord an einem Mädchen und einen Vermisstenfall eines weiteren Mädchens zu schreiben. Handelt es sich um einen Serienmörder? Vordergründig wirkt die Entscheidung zur Familie zurückzukehren, um wieder bei der Familie Kraft zu tanken, logisch und positiv. Deswegen zieht Camille nach ein paar Tagen im Hotel zurück zu ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrer Teenager-Halbschwester in das Landhaus der Familie. Doch schnell wird deutlich, dass die psychischen Probleme eventuell in der Vergangenheit und der Familie begründet liegen. Durch zahlreiche Rückblenden, in denen die junge Camille (Sophia Lillis, sehr gut) gezeigt wird, wie sie viel durchleiden musste und die durch Mystery-Aspekte angereichert werden, entwickelt die Serie ein umfassendes Bild ihres Hauptcharakters.

Zu Beginn noch mit stärkerem Crime-Fokus, entwickelt sich „Sharp Objects” mehr und mehr zu einer Charakterstudie von Camille und ihrer ganzen Familie. Der Kriminalfall rutscht etwas in der Hintergrund, stattdessen stehen die Mutter-Tochter Beziehung, eine schwierige Kindheit, die seltsame Beziehung der Halbgeschwister, sowie auch die Trauerbewältigung vor einer schnatternden Kleinstadtkulisse im Zentrum der Handlung. Darüber hinaus wirken alle Figuren geheimnisvoll, man glaubt nie, jemanden vollständig durchschaut zu haben. Aufgrund der Mysterykomponente, dem düsteren, schwülem Kleinstadtsetting und vor allem wegen der zerrissen-depressiven und alkoholkranken Camille bekam ich starke „True Detective”-Vibes, besonders an Staffel 1 fühlte ich mich häufig erinnert. Ähnlich wie bei „True Detective” konnte mich auch in „Sharp Objects” die düstere, zum Teil wahnhaft-mysteriöse Inszenierung in Verbindung mit den großartigen Leistungen der Hauptdarstellerinnen in seinen Bann ziehen, eine Sogwirkung entwickelte sich für mich. Das liegt natürlich an Amy Adams, allerdings auch genauso an einer wahrlich fiesen Mutter (Patricia Clarkson) und einer vielschichtigen Halbschwester, die von Eliza Scanlen verkörpert wird, die ganz groß aufspielt und in Teilen die Show stiehlt.

Die Handlung konnte mich von Anfang an begeistern, die Prämisse der Serie überzeugte sofort. Ab Episode 3 wird die Serie noch düsterer und besser. Der Kriminalfall ruht in der Mitte etwas, was einige stören wird, stattdessen liegt der Fokus auf der Familie in der Vergangenheit und der Gegenwart. Dabei werden einige hochspannende Fragen aufgeworfen. Vordergründig passiert in der Mitte weniger, aber der Mittelteil ist als Setup hochgradig relevant für das fantastische, wendungsreiche Ende der Miniserie. Der aufwühlende Abschluss der Serie ist ganz oben anzusiedeln im Vergleich mit allen Serien, ich war umgehauen von dieser Wucht und auch dem Kunstgriff im Abspann weiterzuerzählen. Deswegen unbedingt dranbleiben!

„Sharp Objects” ist eine Miniserie, es handelt sich um eine abgeschlossene Geschichte, die in 8 Episoden erzählt wird. Ich möchte diese ehrgeizige Mischung aus Familiendrama und Kriminalfall mit großartigem Cast jedem empfehlen, der zumindest von den Thematiken nicht allzu getriggert ist. Vielleicht muss man sich ein wenig durch Teile der Folgen durchkämpfen, aber das Ende lohnt sich wie kaum ein zweites.

87/100
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