True Detective – Mystery trifft Krimi, mal überragend, mal schwächer. Review Staffeln 1-4

Doch wie bewertet man eine Anthologie-Serie? Eine Serie, die in jeder Staffel das komplette Personal und das Setting austauscht und sich nur über die gemeinsame Thematik von (meist kaputten) Cops, die einen Fall übernehmen, definiert? Bei manchen Serien dieser Art sind die Staffeln dennoch auf einem ähnlichen Niveau, was die Bewertung einfacher gestaltet. Doch True Detective erschwert dies. Staffel 1 allein wäre wohl unter den Top 5 der besten Serien, Staffel 3 alleine würde die Top 100 auch erreichen. Doch Staffel 2 und 4 ziehen die Gesamtbewertung leider hinunter. Aber der Reihe nach:

Staffel 1 ist feinstes Krimidrama mit großen Mystery-Elementen (Lovecraft-Vibes) erzählt auf 2 Zeitebenen mit absolut kaputten Cops (Matthew McConaughey und Woody Harrelson). 1995 untersuchten die beiden einen mutmaßlichen Serienmorde in den Sümpfen Louisianas. 2012 werden sie – nun offenbar ziemlich kaputte Seelen – über die damaligen Erlebnisse befragt. Folge 4 ist ein absolutes Meisterwerk, mutmaßlich eine der besten TV-Folgen überhaupt mit einer wundervollen, etwa 7 minütigen Plansequenz ohne Schnitte, die mir auch 10 Jahre nach der Erstansicht noch gut im Gedächtnis ist. Das mutige Ende, dass große Fragen aufwirft, rundet eine fast perfekte Krimistaffel gut ab. Einigen wird es dennoch zu langsam erzählt sein, aber das kann ich in Staffel 1 nicht nachvollziehen.

Staffel 2 hingegen ist zu Beginn fast schon schmerzhaft langatmig. Sie verlegt das Setting nach Los Angeles (wovon wir ständig Luftaufnahmen sehen) und fokussiert sich auf 3 Cops und einen Gangster, die erneut alle kaputte Gestalten sind, verliert dabei aber völlig den roten Faden einer Haupthandlung, eines Krimis. Es ist fast nur noch Drama. Die zu vielen Hauptcharaktere lassen die Geschichte vollkommen überfrachtet wirken, die ersten 3 Folgen sind fast pure Charakter-Exposition, einige Dialoge wirken etwas peinlich. Folge 4 bietet endlich am Ende ein Highlight, erweckt die Staffel aus ihrem Dornröschenschlaf und danach nimmt die Story endlich etwas Fahrt auf. Die vorletzte Folge ist die wohl beste, das Ende letztlich passend.

Staffel 3 versucht offensichtlich die Formel der ersten Staffel wiederzubeleben, möchte “Back to the roots”, zurück zu den Wurzeln des Erfolgs. Diesmal wird die Anzahl der Zeitebenen erhöht: 1980, 1990 und 2015. In der Hauptrolle brilliert Mahershala Ali, der ein Verschwinden zweier Kinder in 1980 untersucht. Folge 1 ist sofort ein Highlight, weil sie einen angenehmen Kontrast zu Staffel 2 bot und ein starke Grundlage legte. Die Staffel hat in der Mitte die ein oder andere Länge, wird aber solide zu Ende erzählt und enthält einige sehr starke Szenen. Das Ende ist zwar etwas streitbar, ich fand es allerdings passend.

Staffel 4 ist weder so gut, wie die zahlreichen Emmy-Nominierungen (Gewinn für Jodie Foster) glauben lassen, noch so schlecht, wie es imdb oder andere Review-Seiten sehen. Tatsächlich habe ich überlegt, dass ich “Night County” nicht zur Reihe hinzuzähle, weil es so offensichtlich wenig mit “True Detective” zu tun hat. Nicht mehr Nic Pizzolatto, sondern Issa Lopez als Creator, Alaska als Location, mehr Hommage an “The Thing”, als an die Reihe, aber es gehört jetzt (leider) offiziell dazu. Inhaltlich untersuchen ein Copduett aus Jodie Foster und Kali Reis (weiße Frau und Iñupiaq, Alaska Native) das Verschwinden von Wissenschaftlern einer Forschungsstation in der Nähe der sehr kalten, verschneiten Stadt Ennis, Alaska. Dies wird schnell mit dem Mord einer Ureinwohnerin sechs Jahre zuvor verknüpft, den die beiden gemeinsam nicht lösen konnten und deswegen miteinander etwas im Clinch liegen. Doch nun bündeln sie wieder ihre Kräfte, um beide Fälle aufzuklären, als die Wissenschaftler wieder auftauchen – als Eisblock.

Der interessante Beginn (Folgen 1+2) wird in der Mitte von vielen privaten Problemen der beiden Hauptfiguren und auch von Officer Peter Prior verwässert. Dabei stehen stets die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Identität und der Respekt gegenüber den Ureinwohnern im Mittelpunkt, die auch gegen eine Mine demonstrieren. In den letzten 2 Folgen wird der rote Faden wiedergefunden und der Fall genau aufgedröselt und erklärt. Ich mochte die Auflösung durchaus, im Kern ist sie allerdings nicht sonderlich logisch oder schlau. Für diese Erklärung müsste die Verschwörung noch deutlich größer sein, zudem sind einige Dinge innerhalb der Forschungsstation überhaupt nicht schlüssig (Vervielfältigung von Proben) und eine Charakterhandlung in Folge 5 ist sehr seltsam. Als Zuschauer wird man am Ende mit der “ist ein Horrorfilm, denk nicht darüber nach” – Logik-Bitte konfrontiert, während die Handlung allerdings eine andere Wendung nimmt. Schade. Der Style ist gut (bis auf CGI-Tiere), man sieht, dass vor Ort in Eiseskälte gedreht wurde. Die Produktion ist top, die Darsteller sind überwiegend stark, die Regie solide, aber das Drehbuch kann leider nicht mithalten.

83/100
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