„Aus Mangel an Beweisen” ist ein klassisches Malen nach Zahlen Krimidrama mit Thrillerelementen über einen Staatsanwalt, in dessen direktem Arbeitsumfeld ein Mord geschieht, in dessen Fall er ermittelt. Doch am Ende der ruhigen ersten Folge wird endlich der Catch der Serie präsentiert: Der Staatsanwalt landet selbst auf der Anklagebank.
Nach diesem Auftakt wandelt die Serie, die auf einem gleichnamigen Roman basiert, auf den klassischen Spuren solcher Gerichtsdramen, in denen eine zunächst unwahrscheinlich wirkende Person zum Hauptverdächtigen wird und das ganze Leben des mutmaßlichen Täters und seiner Familie auf den Kopf gestellt wird. Insofern erinnerte mich „Presumed Innocent” auch an Serien wie „Defending Jacob” und noch mehr „Your Honor”. Die Handlung verläuft in typischen Bahnen. Zunächst das Familiendrama daheim, dann die Präsentation der Indizienbeweise, dann die Standpunkte von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, alles verbunden mit den Zweifeln innerhalb der Familie. Das gipfelt in den Gerichtsszenen selbst und irgendwann wird ein Urteil gesprochen.
Die Serie kann mit ihrer herausragenden Besetzung punkten. Jake Gyllenhaal ist der Ankerpunkt in der Hauptrolle, bei ihm kommt allerdings etwas schnell die dunkle Seite zum Vorschein. Doch auch die Nebendarsteller-Riege kann sich sehen lassen. Bill Camp, Ruth Negga, O-T Fagbenle, Peter Sarsgaard und auch die Norwegerin Renate Reinsve, deren Filme ich sehr empfehlen möchte (vor allem der schlimmste Mensch der Welt) bilden ein sehr gelungenes Darsteller Ensemble. Das ist das große Faustpfand der Serie, die Darsteller spielen glaubwürdig und geben ihren Charakteren eine gewisse Tiefe. Die Handlung wird am Ende der Gerichtsverhandlung etwas seltsam, kommt aber zu einem gelungenen Abschluss. Problematisch finde ich aus europäischer Sicht den reinen Indizienprozess, der für mich früh die Spannung herausnahm und das Ende gewisserweise vorwegnimmt.
Die erste Folge und die Mitte (Folge 4&5) der 8-teiligen 1. Staffel sind etwas langsam erzählt, aber das letztlich gelungene Ende kann dies mit einem erhöhten Tempo auffangen. Dennoch bleibt am Ende das leichte Gefühl, dass die Geschichte etwas sehr klassisch, solide und ohne Mut heruntergespielt wurde und man sich zu sehr auf das starke Ensemble verlassen hat. Ob das ein valider Vorwurf ist, muss jeder selbst für sich entscheiden.



