Die Nachfolgeserie der „Dark”-Macher Baran bo Odar und Jantje Friese wurde leider von Netflix bereits nach der ersten Staffel beendet. Inhaltlich hat die Serie mit „Dark” nichts zu tun und auch die Qualität erreicht sie nicht, doch lohnt sich „1899” dennoch?
Diesmal wird direkt zu Beginn deutlich, dass die Serie im Mysterybereich angesiedelt ist, denn die zahlreichen Charaktere befinden sich diesmal auf einem Schiff im Jahr 1899 auf der Überfahrt aus Europa in die USA. Auf diesem Schiff versammeln sich Menschen aus zahlreichen verschiedenen Ländern, was zum großen Gimmick der Serie (und zur Audioempfehlung) führt: Die Menschen reden miteinander in ihren Landessprachen und können sich somit häufig nicht verstehen. Die Hauptsprachen sind zwar Englisch und Deutsch, aber viele Charaktere sprechen ihre Muttersprache. Also dänisch, französisch, chinesisch, polnisch usw. Dadurch muss man die Serie de facto im Originalton mit Untertiteln schauen, weil viele der Dialoge daraus bestehen, dass sich die Figuren untereinander nicht verstehen. Das wird in der deutschen Synchronisation ad absurdum geführt.
Inhaltlich empfehle ich bereits zu Beginn den Detektivmodus, denn hier muss man auf jedes kleine Detail und auf die große Symbolik achten, die auch „Dark” auszeichnete. In das große Mystery-Fragenstellen mischen sich natürlich vor allem große Dramaelemente, aber auch Fans von anderen Genres werden Einflüsse wiedererkennen. Denn schon bald wird die Thematik Geisterschiff aufgeworfen, als die Besatzung auf das verlassene Schiff Prometheus trifft und kurz darauf geschieht auch schon der erste Mord.
Die Produktion der Serie ist auf einem sehr hohen Niveau, sie sieht sehr gut aus und man merkt, dass in „The Volume“ gedreht wurde. Wer genaueres darüber wissen möchte, dem empfehle ich ein Making of, im Wesentlichen sind die Kulissen zwar relativ klein, aber „The Volume” sorgt für eine riesige digitale Weite, mit der die Darsteller besser agieren können als bei CGI aus der Postproduktion. Regie, Machart und Produktion sind wieder auf dem Top Niveau, das auch schon „Dark” auszeichnete, die Darsteller sind überwiegend gut.
Doch wie ist 1899 denn letztlich zu bewerten? Die Serie ist gut, sie hat eine schöne Sogwirkung, die sich bei mir spätestens ab Folge 3 oder 4 entfaltete. Spannung wird gekonnt aufgebaut, zudem möchte man wissen, wie es weitergeht. Das Worldbuilding rund um die einzelnen Figuren und die Cliffhanger-Häppchen sind super. Die Absurditätsskala wird hier wirklich ordentlich nach oben gedreht und man muss einige Dinge einfach akzeptieren um der Handlung weiter folgen zu können und zu wollen. Alles in allem werden einige Hinweise vielleicht auch bereits zu früh gegeben und es wirkt etwas formelhaft. Doch gelingt die Auflösung, das Ende? Schon, aber es fühlt sich etwas zu „einfach“ an und ist letztlich deutlich komprimierter und kleiner als „Dark”. Was aber keinesfalls negativ sein muss.
Für „Dark”-Fans ist „1899″ auf jeden Fall interessant, für Mysteryfans auch. Man muss den Kopf zusammenhalten und bitte in der Originalversion schauen. Die mittlerweile immer schlechter werdenden Online-Bewertungen auf anderen Websites sind aus meiner Sicht nicht fair, die Serie ist sehenswert. Schade ist, dass es nur eine Staffel geben wird, obwohl noch mehr geplant war. Aus meiner Sicht funktioniert das Ende der 1. Staffel aber auch als abgeschlossene Geschichte.



