1883 – Eine gelungene Western-Romanze als Yellowstone-Prequel. Review Miniserie

Die Prequel-Serie zu Yellowstone, die glücklicherweise klassisch historisch in der Zeit des Wilden Westens spielt und nicht allzu viel mit Yellowstone gemeinsam hat. Es ist nicht die Zeit der peinlichen Cowboy-Hüte, sondern der coolen Cowboys, die Zeit von „Red Dead Redemption“ mit typischen Wilder Westen-Vibes.

Dennoch steht natürlich die damalige Familie Dutton im Mittelpunkt, bestehend aus Patriarch und ehemaligen Bürgerkriegs-Captain, nun Revolverheld und Farmer James, Frau Margaret und Tochter Elsa (Ankerpunkt der Serie), dem 5-jährigen Sohn, sowie der Schwester der Frau und ihrer Tochter. Es handelt sich um eine typische Historienserie, jedoch nimmt das Genre der Romanze einen überraschend großen Teil ein. Nachdem James (Tim McGraw) in einer Stadt für ordentlich Aufsehen sorgt und seinen inneren John Marston herauskehrt, trifft er auf Pinkerton-Söldner, die eine Gruppe von immigrierten, europäischen Pionieren auf ihrem Weg von Texas nach Oregon begleiten. Die Familie schließt sich dem Trupp an, auf dem Weg gibt es zahlreiche Probleme zu lösen. Wie zähmt man den Wilden Westen, wie überquert man Flüsse, wie geht man mit Streitigkeiten innerhalb der Gruppe um, wie mit Banditen und Feinden? 

Nach einem starken Beginn mit einigen feinen Actionsequenzen und überraschenden, sowie wunderbaren Cameos in Folge 2, pilchert es danach etwas vor sich hin. Durch den Kunstgriff der fast auktorial und neunmalklug wirkenden 17-jährigen Erzählerin (Tochter Elsa) wird durch ihre naiven Augen die Welt zugänglich für die Zuschauer erklärt und verdeutlicht. Gleichermaßen sind ihre Tagebucheintrag-ähnlichen Erzählungen und Erklärungen mit einem Hang zur kitschigen Lyrik bzw. naturalistischen Prosa (hätte ich doch im Deutsch Unterricht besser aufgepasst…) gesegnet und in seltsames Pathos gehüllt. Gerade ihr Gerede um die Liebe ist hochgradig schwülstig aufgeladen und ihre Liebeserfahrungen überlagern in der Mitte vollkommen die Haupthandlung, es steht nur Elsas Entdeckung der Liebe mit unterschiedlichen Männern und Tragödien im Fokus. Als Teenagerin fühlt sie alles so unendlich stark, so dass eng auf dem Grat zur Schmonzette gewandelt wird und der eigentliche Weg, das eigentliche Ziel, fast aus den Augen verloren wird. Glücklicherweise kann man der guten und überzeugenden Elsa-Darstellerin Isabel May nicht lange böse sein, jedoch hätte es gerne etwas weniger Liebesdusel und Durcheinander (gerade wenn es zu Mann Nr. 2 geht) und mehr Wilder Westen sein dürfen. 

Denn in diesen Momenten brilliert die Serie durchaus. Es ist keine Verherrlichung der alten Zeit, sondern eine gelungene Darstellung eines permanenten Kampfes gegen den Tod und für die Hoffnung auf ein neues Leben. In einer Welt der Gesetzlosigkeit, wo man sich auf Basis von Indizien, eines blöden Spruchs oder monetären Überlebensinteressen eben gegenseitig, ohne mit der Wimper zu zucken, umbringt. Das ergibt harte, konsequente Szenen, die von einer sehr gelungenen Bildsprache untermalt werden. Die Atmosphäre passt, das Jahr 1883 wird überzeugend eingefangen, die Kostüme und Wagenkolonne wirken authentisch. Unterstützt wird diese Epik von einer stets emotional besetzten und passenden Musik. Die 9. Folge ist sicherlich das Highlight, die 10., eher ungewöhnliche, aber emotionale Episode schließt den Kreis zur Hauptserie.

Generell sind die starken Sequenzen der Serie wirklich gut, auch die Atmosphäre stimmt, aber gerade in der Mitte fand ich Elsas Entwicklung und dass ihre Geschichte der Hauptfokus der Geschichte ist, etwas lähmend und auf der Stelle tretend. Sie eilt durch Liebeserfahrungen und welchen Schmerz dies verursachen kann, wobei gerade ihre 2. Lovestory viel zu schnell anschließt und seltsam abgeschlossen wird. Wenn aber die Kolonne, bzw. deren Probleme, deren unterschiedliche Handlungen und die Gespräche der beiden Anführer im Vordergrund stehen oder es zu Extremsituationen kommt, dann ist „1883” gute und fiese Historien-Action, die überzeugt. 

Daher stelle ich ein ambivalentes Abschlusszeugnis aus: Für Freunde von Historienserien, die mit dem Genre der Romanze und Liebesirrungen eines Teenagers keine Probleme haben, wird es ein Gaumenschmaus sein, alle anderen werden sich in der Mitte vielleicht fragen, wofür sie eingeschaltet haben. Anfang, Ende und eingesprenkelte Extremsituationen werden sie allerdings daran erinnern.

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